Landwirtschaftsberatung

Rückblick und Ausblick auf die gemeinsame Agrarpolitik

Die Landwirtschaftsberatung des Oekozenter Pafendall und der Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren setzt sich, in direktem Austausch mit dem Mouvement Ecologique, seit Jahren für Reformen in der Landwirtschaftspolitik im Interesse der Landwirte und der Natur und Umwelt ein. Maßgeblich für die Entwicklung der Landwirtschaftspolitik wird sowohl der europäische „Green Deal“ als auch die sogenannte europäische GAP-Reform sein („Gemeinsame Agrar-Politik“). Die Entscheidungen, die auf EU-Ebene fallen werden sowie die Stellungnahme der Luxemburger Vertreter bei den Brüsseler Verhandlungen, werden von äußerster Bedeutung für die Zukunft der Landwirte, der Biodiversität, des Tierschutzes u.a.m. sein. Dabei ist das Thema sehr komplex. Um jeden Interessierten einen Einblick in das komplizierte Dossier zu erleichtern, wird hier regelmäßig über die Entwicklung berichtet. In dieser Ausgabe finden Sie einige grundsätzliche Informationen. Unser Ziel ist es, das Geschehen in Brüssel im Auge zu behalten und gemeinsam, Oekozenter Pafendall, Mouvement Ecologique und Lëtzebuerger Landjugend an Jongbaueren, unserer Regierung auf nationaler Ebene Lösungsvorschläge zu unterbreiten sowie die Stellungnahme Luxemburgs in Brüssel etwas zu beeinflussen.

In naher Zukunft steht in der EU eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an. In den folgenden Ausgaben wollen wir die bisherigen Entscheidungen und Pläne kommentieren. In diesem ersten Artikel ist es der Versuch, den Lesern den geschichtlichen Hintergrund näher zu bringen.

Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 wird auch der Grundstein für die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) gelegt, die 1962 in Kraft trat. Die Ziele waren damals klar definiert: So sollten die Menschen in Europa mit ausreichend Lebensmitteln zu angemessenen Preisen versorgt werden. Zudem galt es, das Einkommen der Landwirte*innen zu sichern. Drei Grundprinzipien setzten den Rahmen für die erste GAP: freier Warenaustausch in allen Mitgliedsstaaten, Vorrang für EU-Produkte und gemeinschaftliche Finanzierung der Gelder durch den EU-Haushalt. Aktuell entfallen 41 % der EU-Ausgaben an die Landwirtschaft, 1985 waren es noch 70 %. Die Kommission hat für den Zeitraum 2021-2027 30% des EU-Haushalts für die Landwirtschaft vorgesehen.

In den Anfangsjahren war die Intention, die Effektivität sowie die Produktion der Betriebe zu steigern. Dies erfolgte hauptsächlich über Preisstützung (Intervention*, Importabschöpfung**, Exporterstattung***) der Agrarprodukte. Die eingesetzten Mittel hatten Erfolg und führten schnell zu Überproduktion.

Im Jahr 1993 wurde mit der Einführung der Mac Sharry Reform die Preisstützung deutlich verringert, vermehrt kam eine Subventionierung der Produktionsmenge und eine Prämie pro ha Kultur zum Einsatz. Um der Überproduktion entgegenzuwirken, mussten Betriebe mit mehr als 15 ha Fläche 15 % der Fläche 1 Jahr lang stilllegen.

2005 wurde unter Agrarkommissar Franz Fischler das produktbezogene Prämiensystem durch ein entkoppeltes ersetzt. Dies bedeutet, dass es irrelevant ist, was angebaut wird, solange es fachgerecht produziert wird. Die Cross Compliance, die seit 1980 die Zahlung öffentlicher Gelder an rechtliche und ethische Standards (Umweltschutz, Tierschutz, Lebens- und Futtermittelsicherheit) bindet, wurde verschärft. Das Dokument, das die Richtlinien der Cross Compliance in Luxemburg definiert, besteht aus 163 Seiten. Zum Verständnis einige Beispiele: Brandrodung ist verboten, in Trinkwasserschutzgebieten ist jegliche Ausbringung von stickstoffhaltigen Düngemitteln untersagt, die Verfütterung von tierischen Proteinen an Wiederkäuer ist verboten, Verbot der Anbindehaltung usw..

Aufhänger der letzten Anpassung für den Zeitraum 2014-2020, die um 1-2 Jahre verlängert wird, sind die Umverteilung der Gelder sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten als auch unter den Landwirten je nach Betriebsgröβe. So besteht die Möglichkeit, dass jeder Landwirt für die ersten 30 ha mehr Basisprämie erhält als für die nächsten 30 ha. Die Umsetzung ist von EU-Land zu EU-Land unterschiedlich.  Des Weiteren wurde die Förderung von Gemeingütern wie die des Wasserschutzes oder der Biodiversität ausgebaut (Erhalt von Dauergrünland, Erhaltung von „im Umweltinteresse genutzten Flächen“ im Umfang von mindestens 5 % der Ackerfläche des Betriebes).

Nun steht erneut eine Reform der GAP vor der Tür, die Weichen sind teilweise schon gestellt und werden zeitnah ausdiskutiert und folglich umgesetzt. In den Medien fallen immer wieder Begriffe wie Green Deal, Eco-Schemes, 1. und 2. Säule, Biodiversitätsstrategie, Farm to Fork Strategie usw.. Im Folgenden wollen wir einen Einblick in die Wechselwirkungen und Einflüsse dieser Begriffe auf die zukünftige GAP geben.

1. und 2. Säule, Aufteilung der EU-Agrargelder in 2 Säulen

Die Aufteilung in 2 Säulen besteht seit Inkrafttreten der Agenda 2000 und wird auch weiterhin Bestand haben. Die Säulen spielen bei der Finanzierung (1. Säule: Europäischer Garantiefonds für Landwirtschaft, 2. Säule: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) wie auch bei der Auszahlung eine Rolle.

In der 1. Säule enthalten ist die sogenannte Direktzahlung, die an die Produktionsfläche gebunden ist und das Einhalten der Cross-Compliance-Regeln beinhaltet. Zu den Direktzahlungen zählen, verpflichtend für alle EU-Staaten, die Basisprämie, die Greening-Zahlung**** und die Zusatzförderung für Junglandwirte. Hinzu kommen fakultative Zahlungen für benachteiligte Gebiete oder produktionsgebundene Gelder für besondere Produkte.

Einen geringeren Einfluss nehmen die Marktmaβnahmen für Marktinterventionen sowie sektorspezifische Unterstützung. Diese beinhalten Regeln zu Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Sondermaβnahmen zur Verhinderung von Marktverzerrungen und Krisenmaβnahmen.

Die 2. Säule der GAP umfasst vielfältige Maβnahmen im Bereich der ländlichen Entwicklung, des Umwelt- und Klimaschutzes (Wissenstransfer, Förderprogramm zum Erhalt der Streuobstwiesen, Direktsaat, sprich säen ohne vorher zu pflügen). Die Umsetzung dieser Maβnahmen wird auf nationaler oder regionaler Ebene entschieden, um den lokal unterschiedlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten gerecht werden zu können.

Eco-Schemes

Die sogenannten Öko-Regelungen sollen ein neues Instrument der zukünftigen Gap werden, um ökologische Leistungen mit Direktzahlungen zu honorieren. Extensive Grünlandnutzung, Anbau von Leguminosen ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder die Anlage von Blüh- und Nützlingsstreifen werden wohl einige der zahlreichen Maβnahmen sein.  Angewandter Umweltschutz würde quasi zu einem neuen Betriebszweig. Die Gelder für diese Regelungen kommen aus der 1. Säule und sollen das Greening ersetzen. Sie sind allerdings freiwillig und die Kompetenz für die Auslegung dieser Regeln liegt auf nationaler Ebene. Maβnahmen können so an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden, es besteht aber auch die Gefahr, dass die Gelder weniger förderlichen Maβnahmen zum Opfer fallen.

Green Deal

Das Konzept des Green Deal, das unter der Leitung von Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, vorgestellt wurde, hat einen direkten Einfluss auf die zukünftige Agrarpolitik. Beim Ziel, bis 2050 als weltweit erster Kontinent klimaneutral zu werden, spielt die Landwirtschaft eine wesentliche Rolle. Daneben ist auch die Ernährungssicherheit von Bedeutung.

Biodiversitätsstrategie

Diese Strategie ist ein Eckpfeiler des „Green Deal’s“ und beinhaltet als Ziele die Schaffung von Schutzzonen (30% Landgebiete und 30% Meeresgebiete in ganz Europa) und die Wiederherstellung geschädigter Land- und Meeresökosysteme. So sollen, um einige Beispiele zu nennen, bis 2030 der Pestizideinsatz um 50 % verringert, 3 Milliarden Bäume gepflanzt und 25 000 km Fließgewässer in einen freien Flusslauf rückgeführt werden.

 

„Farm to Fork“- Strategie

Mit der „Farm to Fork“-Strategie will die EU-Kommission den Übergang zu einem nachhaltigen EU-Nahrungsmittelsystem ermöglichen, das die Ernährungssicherheit gewährleistet und den Zugang zu gesunder Ernährung von einem gesunden Planeten aus sichert. Auch sie ist ein Teil des „Green Deal“ und hat große Auswirkungen auf die künftige GAP. Nennenswerte Ziele sind ein Anteil an ökologisch bewirtschafteten Flächen von 25 %, der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung und der Aquakultur soll um 50 % reduziert und eine Beobachtungsstelle für Lebensmittelsicherheit geschaffen werden.

Ausblick

Seit dem 01.07.2020 hat Deutschland den Vorsitz im Rat der EU. Die deutsche Landwirtschaftsministerin, Julia Klöckner, will vor allem bei der Tierwohlkennzeichnung, der GAP-Reform und der Farm-to-Fork Strategie Akzente setzen. Für die Ausrichtung der zukünftigen GAP spielt die Verabschiedung des „Mehrjährigen Finanzrahmens“ 2021-2027 eine wichtige Rolle. Deutschland wird in den nächsten Monaten starken Einfluβ auf die zukünftige GAP und die Farm-to-Fork-Strategie nehmen.

Da die einzelnen Länder einen hohen Spielraum haben, wie die Regelungen in die Praxis umgesetzt werden, bleibt abzuwarten, wie diese auf nationalem Niveau aussehen werden. Einige Schritte wurden bereits vorab in die Wege geleitet, so z.B. das Ziel 25 % Biolandbau bis 2030.

 

*Intervention: Tritt in Kraft, wenn der Preis für ein in der EU für die öffentliche Intervention zugelassenes Produkt (Butter, Magermilchpulver oder Rindfleisch) den Referenzschwellenwert unterschreitet. Die Komission erstattet während einer bestimmten Jahreszeit den Aufkauf dieses Produkts durch die Interventionsstellen, um somit das Angebot am Markt zu verringern und diesen zu entlasten.

**Importabschöpfung: Durch Importzölle wurde der europäische Markt vor günstigen Importen aus nicht EU-Ländern geschützt.

***Exporterstattung: Um am Weltmarkt mit Agrarprodukten wettbewerbsfähig zu sein, bekamen Exporteure die Differenz zwischen einem festgesetzten Schwellenpreis und dem Weltmarktpreis erstattet.

****Greening: Obligatorische Ökologisierungskomponente, um klima- und umweltschutzrelevante Landbewirtschaftungsmethoden in der gesamten EU zu unterstützen. Zum Greening zählen z.B. der Anbau von mindestens 2 Kulturen, wenn der Betrieb über Ackerfläche von 10-30 ha verfügt. Die Hauptkultur darf max. 75 % der Ackerfläche betragen. Ein weiterer Punkt ist der Erhalt von Dauergrünland. Ökologisch wertvolle Flächen müssen erhalten werden und bei mehr als 15 ha Ackerland müssen auf diesen Flächen mindestens 5 % an ökologischen Vorrangflächen (EFA-Flächen) aufweisbar sein.