Weiterbildung

Bericht zum Seminar „Lüftung von Wohngebäuden: eine Zwischenbilanz“

Die Einführung des Règlement grand-ducal vom 30. November 2007 über die „performance énergétique des bâtiments d’habitation“ verfolgt das Ziel Primärenergie einzusparen und die Wärmeverluste der Wohngebäuden zu reduzieren.

Daher werden Wohnhäuser zunehmend wärmegedämmt und immer luftdichter ausgeführt. Da die Undichtigkeiten der Außenhülle, früher in den Gebäuden, für einen konstante Grundlüftung gesorgt haben, muss dort wo diese Grundlüftung inzwischen weggefallen ist, jetzt auf eine bewusste bzw. auf eine kontrollierte Lüftung gesetzt werden, um weiterhin überschüssige Luftfeuchtigkeit, CO2 und andere Schadstoffe aus der Raumluft abzuführen.

Die Fensterlüftung ist in Wohnhäusern nach wie vor die häufigste Form der Frischluftzufuhr. Sie ist allerdings stark abhängig vom Nutzerverhalten und vom Wetter. Zudem trägt die Größe der Fenster, die Lage der Fenster im Raum, die Wind- und Temperaturverhältnisse der Außenluft und die Dauer der Lüftung wesentlich zum effektiven Luftwechsel bei. Einen optimalen Luftwechsel lässt sich daher nur schwer über die Fensterlüftung einstellen.

Aus diesem Grund wird bei Niedrig- und Passivhäusern auf eine mechanische Lüftung gesetzt. Zumal hiermit eine Wärmerückgewinnung ermöglicht wird und dadurch die Energieeffizienz der Häuser noch weiter gesteigert werden kann.

Ziel des Seminars war es nach 8 Jahren, also seit Einführung des Règlements, eine Art Zwischenbilanz im Bereich der Lüftung von Wohngebäuden zu ziehen.

 

Energieeffizienz, Nutzerkomfort und Kostenanalyse von Lüftungsanlagen in Wohngebäuden

Hierzu wurde mit Beginn des Seminars ein Vortrag von Dr. Ing. Alexander Merzkirch von der Universität Luxemburg gehalten, basierend auf seiner Dissertation mit dem Titel: „ Energieeffizienz, Nutzerkomfort und Kostenanalyse von Lüftungsanlagen in Wohngebäuden: Feldtests von neuen Anlagen und Vorstellung bedarfsgeführter Prototypen“ (Februar 2015).

Die Dissertation von Herrn Merzkirch basiert auf Feldtests in Ein- und Mehrfamilienhäusern, an 20 zentralen und 60 dezentralen Anlagen, im Zeitraum Sommer 2012 bis Sommer 2014 sowie auf Tests an drei bedarfsgeführten Prototypen.

In dem Vortrag wurde einen Überblick über die aktuell verfügbaren Technologien hinsichtlich Energieeffizienz, Nutzerkomfort und Kosten geschaffen. Dabei wurde festgestellt, dass der tatsächliche Wärmerückewinnungsgrad gegenüber dem vom Hersteller angegebenen normativen Wärmerückgewinnungsgrad bei zentralen wie dezentralen Lüftungsanlagen bis zu 30% abweicht. Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen Defekte einzelner Komponenten vorlagen, zeigen alle Anlagen jedoch eine positive Primärenergiebilanz. Allerdings wurde auch festgestellt, dass der Nutzer die Auswirkungen einer fehlerhaften Anlage in der Regel nicht bemerkt.

Des Weiteren haben die Messungen aus dem Feldtest ergeben, dass bedarfsgeführte Anlagen gegenüber nicht bedarfsgeführten Anlagen, weitere Einsparungen ermöglichen. Bei einer bedarfsgeführten Lüftungsanlage wird die Anlagen über eine Sensorsteuerung nur dann eingeschaltet, wenn die Grenzwerte z.B. bei der Luftfeuchtigkeit oder bei dem CO2-Gehalt überschritten werden. Durch die erzielten Laufzeitreduzierungen können somit weitere 50% der Primärenergie und ca. 25% der Kosten eingespart werden. Höchste Einsparungen sind bei einer zonenweise bedarfsgesteuerten Lüftung möglich, so wie es beim semizentralen Konzept vorgesehen ist.

In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass man Lüftungsanlagen in der warmen Jahreszeit, wenn keine Wärmerückgewinnung nötig ist, komplett abschalten und wieder auf die Fensterlüftung zurückgreifen sollte, um nicht unnötig Strom für den Betrieb der Anlage zu verbrauchen.

 

Alternative Lüftungskonzepte und deren Anwendungsbereiche

Der zweite Vortrag mit dem Titel „Alternative Lüftungskonzepte und deren Anwendungsbereiche“ wurde von M.Sc. Marc Lindner aus dem Büro Jean Schmit Engineering gehalten. Herr Lindner präsentierte hierfür das Haus 2226 in Lustenau (Österreich) vom Architekturbüro Baumschlager und Eberle. Dieses Gebäude funktioniert ohne mechanische Heiz-, Lüftungs- oder Klimatechnik. Das Heizkonzept basiert auf dem Trägheitsprinzip des thermischen Massespeichers, d.h. das Gebäude besitzt eine hochwärmedämmende Außenhülle und wärmespeichernde Innenmaterialien. So werden die über die Nutzung erzeugte oder die über Sonneneinstrahlung gewonnene Heizerträge in den Innenbauteilen gespeichert und deren Auskühlung durch die hochgedämmte thermische Außenhülle weitestgehend reduziert.

Die relativ hohe, lichte Deckenhöhe von 3,50m bietet eine Pufferzone für die verbrauchte und aufgewärmte Raumluft. Dadurch wird 75% der Wärmeenergie in der Decke gespeichert. Die Raumlüftung erfolgt über sensorgesteuerte schmale, hohe Lüftungsfenster, deren Öffnungszeit begrenzt ist, um ein Auskühlen des Innenraums zu verhindern. Durch dieses Baukonzept wird eine ganzjährige, konstante Innenraumtemperatur zwischen 22° und 26°C erreicht. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Gebäude gewerblich genutzt wird und durch die tagsüber höhere Heizlast der Nutzer, die nötigen Energieerträge erzielt werden, die vergleichsweise bei einem Wohngebäude fehlen würden.

Als zweites Projekt wurde die Maison du Savoir in Esch/Belval vorgestellt. Dieses Projekt stammt ebenfalls vom Architekturbüro Baumschlager und Eberle und die HLS-Planung wurde vom Büro Jean Schmit Engineering begleitet. Das Lüftungskonzept des Universitätsgebäudes basiert auf dem Prinzip der Zonierung von einzelnen Lüftungsbereichen. So werden z.B. die Hörsäle mechanisch be- und entlüftet, im Flur- und Sanitärbereich wird die verbrauchte Luft über ein mechanisches Abluftsystem angesaugt und Frischluft strömt über zeitintervallgesteuerte Fensterklappen nach. Die Büroräume werden ausschließlich übers Fenster belüftet. Mit diesem Konzept wurde versucht die Lüftungstechnik in dem Gebäude auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren und sie nur dort einzubringen, wo sie aus Sicht der Energieeffizienz oder des Nutzerkomforts angemessen schien.

 

Gesundheitliche Aspekte der Lüftung

Der dritte Vortrag von Dipl. Biologe Ralf Baden vom Ministère de la Santé befasste sich mit den gesundheitlichen Aspekten der Lüftung.

Basierend auf einer Reihe von Studien und eigenen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Raumluftqualität bei einer mechanischen Lüftungsanlage abhängig ist von der Planung der Anlage und der damit verbundenen Wahl des Standortes für die Außenluftansaugung, sowie dem Schutz der Anlage vor dem Eindringen von Verunreinigungen, wie z.B. Wasser, Insekten, Pollen. Die Materialauswahl und deren Verarbeitung sind weitere ausschlagebende Faktoren. Nicht zuletzt hat aber auch die Wartung der Anlage einen erheblichen Einfluss auf die Raumluftqualität. Wenn die Lüftungsanalge ordentlich ausgeführt und gut gewartet ist und demnach nicht selber zur Quelle der Schadstoffbelastung wird, kann die Raumluftqualität besser sein als bei einer konventionellen Fensterlüftung.

Bereits im Raum vorhandene Schadstoffbelastungen können bestenfalls reduziert werden, insofern es sich dabei um leichtflüchtige Schadstoffe (VOC) handelt. Die schwerflüchtigen oder auch sogenannte staubgebundene Schadstoffe (SVOC) lassen sich jedoch weder über eine mechanische Lüftungsanlage noch über Fensterlüftung entfernen. Diese Schadstoffe müssen im Vorfeld bei der Baumaterialauswahl bzw. bei der Auswahl der Einrichtung vermieden werden.

Eine mechanische Lüftungsanlage ist daher aus gesundheitlicher Sicht nicht per se gut oder schlecht. Jedoch müssen sowohl die Planer als auch die ausführenden Firmen und nicht zuletzt die Nutzer besser informiert werden über die möglichen Risiken.

Resümierend kann man sagen, dass mit mechanischen Lüftungsanlagen Primärenergie in Wohngebäuden eingespart werden kann. Dieses Energieeinsparpotential kann allerdings erheblich verbessert werden, durch einen möglichst gezielten Einsatz dieser Technik. So sollte eine Lüftungsanlagen nur eingesetzt werden, wenn eine Wärmerückgewinnung auch tatsächlich benötigt wird. Zudem kann über einen zoneweise und bedarfsgesteuerte Lüftung weitere 50% der Primärenergie eingespart werden. Und nicht zuletzt hat die Sorgfalt, die der Planung, der Umsetzung und der Wartung beigebracht wird, ebenfalls einen beachtenswerten Einfluss, sowohl auf die Energieeffizienz, als auch auf die Raumluftqualität.