Weiterbildung
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Was macht einen Dämmstoff ökologisch?

Voraussetzungen für die Kreislauffähigkeit eines Baumaterials über den Lebenszyklus betrachtet

Vortrag von Mag. Hildegund Mötzl gehalten am 13. Januar 2016 im Oekozenter Pafendall

Bei dem Vortrag sollte die Frage nach den ökologischen Aspekten eines Dämmstoffes an Hand der Kreislauffähigkeit dieses Dämmstoffes bewertet werden.

Kreislauffähigkeit bedeutet, dass Produkte am Ende ihres Lebenszyklus zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen für einen gleichen oder gleichwertigen Zweck wie ihre ursprüngliche Funktion aufbereitet werden können. Die Kreislaufwirtschaft nimmt dabei den Stroffkreislauf der Natur zum Vorbild und versucht kaskadische Nutzungen ohne Abfälle und ohne Emissionen zu erreichen. Dabei wird eine einfache oder mehrfache stoffliche Nutzung mit abnehmender Wertschöpfung sowie eine abschließende energetische Nutzung oder eine Kompostierung des Rohstoffes angestrebt. Auf diese Weise soll eine besonders nachhaltige und effektive Nutzung sowie eine Einsparung beim Rohstoffeinsatz erreicht werden. Die Rohstoffe oder die daraus hergestellte Produkte sollen, in diesem Sinne, so lange wie möglich im Wirtschaftssystem genutzt werden.

In der Realität weist dieses Bild jedoch eine Vielzahl an Verzerrungen und blinden Flecken auf. Des Weiteren muss man sich auch fragen zu welchen Zugeständnissen man bei der Materialwahl bereit ist.

Eine hohe Recyclingrate haben im Baubereich vor allem Produktions- und Baustellenabfälle. Die Wiederverwendung hat hingegen wenig Relevanz. Man findet sie vor allem im Bereich des Low Budget und Do-it-yourself Bauen, bei High Class und Design Anwendungen oder beim professionellen gewerblichen Recycling. Zudem haben Baustoffe häufig einen offenen Lebenszyklus („open loop“) wie z.B. Altholz, das als Rohstoff in der Spanplattenindustrie eingesetzt wird. Besonders deutlich wird dies auch am Beispiel von Aluminium, das eine Sammelquote im Baubereich von 80-90% besitzt. Wovon allerdings nur ca. 32% wieder für den Baubereich recycelt werden, während der Großteil des Recyclings in die Automobilindustrie stattfindet. Des Weiteren wird Recyclingmaterial auch oft als Zumischung für Neumaterial z.B. als Bindemittel verwendet.

Voraussetzung für das Recycling ist dabei ein verwertungsorientierter Rückbau. Dieser lässt sich in verschiedene Demontagestufen unterteilen. In der ersten Demontagestufe sind Bauteile, die sich für eine direkte Wiederverwendung eignen, so z.B. Armaturen, Objekte, Heizkörper, mobile Trennwände oder abgehängte Decken. Die Zwischenlagerung für die demontierten Bauteile ist dabei vorzusehen. In einer zweiten Demontagestufe werden Bauteile abgebaut, die eine Wiederverwendung erst nach einer Vorbehandlung erlauben, so z.B. Rohrleitungen, Kabelkanäle, Türen, Fenster und Rollläden. Die demontierten Bauteile benötigen demnach eine Zwischenlagerung und eine Vorbehandlung. Die dritte Demontagestufe betrifft Bauteile, die eine Wiederverwendung erst nach Rückführung in ihre Grundsubstanz, ermöglichen, so z.B. bei Boden- u. Wandverkleidungen, Metallbau, Glas- u. Holzmaterialien. Die vierte Demontagestufe betrifft die Dach- u. Fassadenkonstruktion und anschließend finden die Abbrucharbeiten des Rohbaus und dessen Aufbereitung statt.

Dies setzt natürlich auch die Trennbarkeit der Konstruktion voraus. Man unterscheidet hierbei zwischen nicht verbundenen Materialien, die also schwimmend oder geklemmt verbaut wurden. Zwischen mechanisch verbundenen Materialien, die zerstörungsfrei oder nicht zerstörungsfrei wieder trennbar sind. Zwischen teilweise verklebt und wieder trennbar respektive vollflächig verklebt und nicht mehr trennbar. Die Trennbarkeit ist besonders wichtig bei einem Materialverbund zwischen organischen, anorganischen und metallischen Baustoffen, weil die Baustoffe ggf. im Sinne einer Deponierung oder Verbrennung, unterschiedliche Entsorgungswege gehen. Wenn ein solcher Materialverbund nicht trennbar ist, stellt der Baustoff am Ende Sondermüll dar.

Dämmfassaden, die als Wärmedämmverbundsystem vollflächig auf die Außenwand geklebt wurden und deren einzelnen Systemkomponenten untereinander verklebt sind, sind demnach nicht recyclingfähig oder gar wiederverwertbar. Anders verhält es sich bei den mechanisch befestigen Vorhang-Fassaden, deren einzelnen Konstruktionsteile trennbar und entsprechend gut wiederverwertbar sind.

Ein weiteres Kriterium für die Kreislauffähigkeit eines Dämmstoffes ist die Vermeidung von problematischen Inhaltsstoffen und Emissionen. So kann in den Kunststoff-Dämmstoffen wie dem expandiertem Polstyrol (EPS) oder dem extrudierten Polystyrol (XPS) das Flammschutzmittel HBCD enthalten sein, das sowohl für die Gesundheit als auch für die Umwelt eine Gefährdung darstellt. Die europäische Chemikalienagentur hat das HBCD (Hexabromcyclododecan) im Jahr 2008 in die Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC) aufgenommen, da es als reproduktionstoxisch, sehr persistent und bioakkumulierend gilt. Die Verwendung von HBCD in Dämmstoffen ist daher seit August 2015 verboten, die EPS-Hersteller konnten allerdings eine Verlängerung der Verbotsfrist für die Herstellung bis August 2017 erwirken und dürfen anschließend ihre Restbestände noch auf den Markt bringen. Das Recycling von HBCD-haltigen Dämmstoffen ist daher nicht möglich.

Melaminharzschaumplatten hingegen gasen Formaldehyd aus und können bei der Verwendung im Innenraum zu einer gesundheitsgefährdenden Raumluftbelastung führen.

Bei der Herstellung von Glaswolle wird meistens Phenolformaldehyd als Bindemittel verwendet (daher auch die gelbe Farbe des Dämmstoffes). Beim Verbau im Innenraum kommt es auch hier zu Raumluftbelastungen mit Formaldehyd, allerdings erfahrungsgemäß meistens unter den von der WHO angegebenen Grenzwerten. Formaldehyd ist als krebserzeugend eingestuft und steht unter Verdacht der erbgutschädigenden Wirkung.

Andere mineralische Dämmstoffe wie z.B. die Mineralschaumplatte, die Calciumsilikatplatten, Schaumglas, Blähperlite oder Blähton sind 100% mineralisch, besitzen keine Bindemittel, keine Flammschutzmittel und sind faserfrei. Einziger Schwachpunkt ist die gängige Praxis Schaumglasplatten im erdberührten Bereich mit Bitumen untrennbar zu verkleben.

Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie z.B. Korkplatten oder Stroh beinhalten keine Zusatzstoffe. Holzfaser-Dämmplatte (im Nassverfahren hergestellt) haben lediglich einen Aluminiumsulfat-Anteil von < 1% und sind daher unproblematisch. Schafwolle als Dämmstoff enthält außer Mottenschutzmittel (<1%) keinen Zusatzstoff. Bei den Mottenschutzmitteln muss man aus gesundheitlicher Sicht zwischen flüchtigen und nicht-flüchtigen unterscheiden und sollte auf Umweltzeichen bzw. auf Prüfzertifikate achten. Es gibt aber keine Einschränkung für das Recycling, ggf. muss der Mottenschutz erneuert werden.

Bei Dämmstoffen aus Flachs, Hanf oder Holzfaser (im Trockenverfahren hergestellt) werden Stützfasern, die eventuell aus Kunststoff bestehen, Bindemittel auf Diisocyanatbasis und Ammoniumphosphat als Flammschutzmittel als Zuschlagstoffe verwendet. Diese sind weitestgehend unproblematisch. Mögliche Einschränkung fürs Recycling könnte sich auf Grund des Materialverbunds, nicht aber wegen Toxizität, ergeben.

Borsalze und Borsäure werden als Flammschutzmittel vor allem bei Zellulosefaserflocken und seltener auch bei Flachs- oder Hanfdämmstoffen benutzt. Eine Gesundheitsgefährdung ergibt sich je nach Zusammensetzung ab ca. 5% Konzentration im Produkt. Sie sind als reproduktionstoxisch auch in die Liste der SVHC aufgenommen worden. Brandschutzmittel auf mineralischer Basis stellen hier einen Ersatz dar.

Kriterien für die Kreislauffähigkeit sind daher

  1. Vermeidung von problematischen Inhaltsstoffen und Emissionen
  2. Vermeidung von Verbundmaterialien
  3. Vermeidung von schwer trennbaren Verbindungen
  4. Möglichst „homogene“ Zusammensetzung
  5. Verwendung von Materialien, die auch als Altstoff einen Wertstoff darstellen

 

Motivation für Recycling ist

  1. Vermeidung von Entsorgungsprozessen, v.a.

– Deponierung

– Verbrennung problematischer Materialien

– Aufbereitung von Abfällen

  1. Einsparung von Primärrohstoffen, v.a.

– knappe Ressourcen

– große Mengen

  1. Vermeidung aufwändiger Produktionsprozesse, v.a.

– Erzaufbereitung

– Prozesse mit hohen Temperaturen (z.B. Glasschmelze)

 

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